Donnerstag, 24. Dezember 2015

Schneeflocken

Flocken, weiße Flocken fallen,
dicht herab im raschen Tanz.
Legen auf der Bäume Krone, 
sich als weißer Blütenkranz.

Und ich wate durch die Felder,
atme ein, und spür' und lausch',
wie ich mich ergeben aussetz‘
dem eisig kalten Winterrausch.

Himmelsflocken auf den Wangen
fallen zärtlich, schmelzen zart.
So wie Diamanten glitzernd,
wenn vor Frost die Erd‘ erstarrt.

Ach wie schön des Winters Schneeweiß,
das ihn heut so prächtig schmückt,
wenn aus dem azuren Himmel
frostig seine Sonne blickt.

Und ich lass mich glücklich fallen,
in den glitzernd weißen Schnee,
seh‘ hinauf, die Wolken schwimmen,
in des blauen Himmels See.

Flocken, weiße Flocken fallen,
dicht herab im raschen Tanz,
und ich spüre diesen Zauber,
weißer, reiner Winterglanz!

(Dezember 2015) © Gedichte/Geschichten - Monika C. Schmid

Sonntag, 29. November 2015

Alte Liebe

So kam ich zurück und atmete frei,
auf den Lippen die Hoffnung,
es ist nicht vorbei -
diese Macht, die uns bindet,
umklammert und schnürt,
die Sehnsucht, so lieblich,
die mich stets zu dir führt.

Die Ferne hat mich verändert, verdreht,
mir aus Federn des Fremden
neue Kleider genäht.
Die Worte im Kopf,
hinter meiner eigenen Stirn
sind Gedanken der Ferne,
aus deren fremden Gehirn?!

Doch komm ich zurück und atme frei,
entkleide die Gewänder
der Heuchelei.
Ich steige empor
aus dem fremden Gerüst,
dein Atmen, so vertraut
hat mich freigeküsst.

Heimat, zu Hause, das Herz bebt in mir,
die Freude hoch jauchzend,
bin wieder bei dir!

Wie ein Schuss in die Schläfe,
ein Schock heizt mich ein.
Denn ich erkenn dich nicht wieder,
du bist nicht mehr mein!?

Der Zauber der Sehnsucht entweicht, es wird klar,
Erinnerung!
Nur du warst so wunderbar!
Nicht mich hat die Ferne,
verändert, verdreht.
Ich spüre wie kalt
der Wind der Enttäuschung jetzt weht.

Du bist mir jetzt fremd, nicht mehr vertraut genug
kannst mich nicht halten,
erweichst Zug um Zug.
Jedes Versprechen ist Nebel,
Schaum,bunte Luft,
Erinnerungsträume
und Marzipanduft.

So mach ich mich auf, und atme frei,
zieh zurück in die Ferne,
und spür tatsächlich wieder dabei,
diese verdammte Macht
die uns bindet
umklammert und schnürt,
die Sehnsucht, so lieblich,
die mich stets zu dir führt.

"Ein ewiges Gefühlschaos zwischen Heimat, in der wir geboren wurden und der Heimat, in der wir leben."

(November 2015) © Gedichte/Poems by Monika C. Schmid

Dienstag, 24. November 2015

Tausche Rumänien gegen Deutschland

Mein allererster Schultag in Deutschland

und wie ich der bösen Ausländerfeindlichkeit die Stirn -mit Hirn- bot 

(Irgendwo im Bayerischen Wald)



„Grüß Gott“, fröhlich lächelnd und voller Spannung streckte ich meinen Kopf zur Klassenzimmertüre der 6a hinein. Eine Hand von hinten legte sich auf meinem Rücken und schob mich weiter in den Raum. Augenblicklich drehten sich tausend kleine Köpfe um und starrten mich aus weit geöffneten Augen an.
„Guten Morgen“ sagte die Lehrerin und kam mir entgegen. Die Hand, die mich hineinschob, löste sich von meinem Rücken und ging auf die Lehrerin zu, übergab ihr einen Zettel, sprach in Flüsterstimme mit ihr und verließ den Raum.
„A-u-f-w-i-e-d-e-r-s-e-h-e-n H-e-r-r W-o-l-f-r-a-m“ ertönte ein melodischer und im schnarchtempo gesprochener Sprachchor.

Ich sah mich um, alle Köpfe waren noch mir zugewandt, alle Augen starrten mich weiterhin an. Ich spürte ihre Blicke, sie trafen mich – anders als ich es mir vorgestellt hatte. Wie hatte ich es mir denn vorgestellt? Ich wusste es nicht. Aber eines war sicher: nicht so! Flüsterstimmchen erfüllten den Raum. Flüsterstimmchen begleitet von Mimiken und Gestiken die ich nicht positiv deuten konnte. Eine, mit bunten Armbänder behängte Mädchenhand zeigte auf meine Hausschuhe und die Gruppe Mädchen um diese Hand herum brach in ein unterdrücktes Gelächter aus.
„Ruhe!“ hallte es durch den Raum. „Ruhe habe ich gesagt!“ folgte strenger nach. Totenstille! Nur, mich anstarrende, Augen und nach oben gezogene, höhnisch verformte Mundwinkel!
„Kinder, das ist unsere neue Schülerin Monika. Sie kommt aus Rumänien und wird ab heute in unsere Klasse gehen. Monika war auch in Rumänien in einer deutschen Schule und deutsch ist auch ihre Muttersprache. Monika, setz dich bitte hier vorne, neben Chaqueline“.
„Nein!“ unterbrach ein aufgeregtes Stimmchen, während das Mädchen ihre Schultasche schnell auf den leeren Stuhl stellte. „Na, niad! sagte sie eindringlich und schüttelte wild den Kopf.
<Na niad?> dachte ich mir. Was war das? Englisch?
„Na gut“, sagte die Lehrerin augenverdrehend und deutete auf einen leeren Stuhl zwischen zwei Mädchen, in Fensternähe. Augenblicklich rückten diese zusammen, während eine sich meldete: „Aber Frau Lederer, mei Mama hod gsagt, i muss niad  neba solchane Ausländer sitzen, wenn i niad mog!“
<mei -hod -gsagt –neba –solchane?> ich wiederholte in Gedanken diese komisch ausgesprochenen Worte und fragte mich innerlich, ob ich hier wirklich in einer deutschen Schule bin.
Die Lehrerin blickte auf, sah über ihre tief liegende Lesebrille hinweg, und überlegte lange, bevor sie sagte: „du kannst zu Hause tun und lassen, was deine Mama sagt! Hier, entscheide ich!“ Sie wandte ihr Gesicht zu mir, lächelte mich an und sagte freundlich: „Monika, setz dich doch bitte zwischen Marie- Luise und Katharina!“

Mit kleinen Schritten zwängte ich mich zwischen die Tische hindurch und das Gelächter hinter mir, neben mir, vor mir – rund herum- wurde immer lauter und zischender. Das Gelächter drang in meine Kleidung, unter meine Haut, in mein Gedärm. Es tat weh!
In meinen Gedanken ging ich meine Körpercheckliste durch, um jegliche möglichen Peinlichkeiten meines Ichs auszuschließen: Hosentor: zu. Nasenpopel: nein. Schweißflecken: neagtiv. Meine Augen versuchten den gesamten Raum zum ergreifen, der nichts als Geflüster und Gelächter, Hohn und Spott in sich verbarg.

Ich setzte mich zwischen diesen beiden Mädchen und schon zischte es von links: „wehe du klaust ma wos, i sogs dir Madl!“ und von rechtes: „was is na des für a greislicher Pullover, hat den ebba dei Oma im Weltkrieg gstrickt?“. Der Junge vor mir drehte sich plötzlich um und sah mich lächelnd an. Ich lächelte verlegen zurück. Plötzlich wurde er ganz ernst und sagte zischend: „brauchst da fei gar nix eibuidn, i darad niemals mit so stinkadan Ausländerinnen gehn!“ Ich drehte meinen verwirrten Kopf von links nach rechts, von vorne nach hinten, von überall erntete ich boshafte Drohungen und missbilligende Blicke. Ich fühlte mich sehr schlecht, beschämt, ja sogar bedroht und verstand die Sitaution gar nicht, weil ich auch nicht diese Sprache richtig verstand.

Wo bin ich hier nur, und warum? Ich war doch stets eine Frohnatur, ein sorgloses Kind, stets lachend umringt und gemocht von vielen Freunden und Klassenkollegen. Wieso hassen mich denn hier alle vom ersten Augenblick an, noch bevor sie mich kennen? Ich weinte innerlich. Alles in mir wehrte sich gegen das Sitzen zwischen diesen beiden Hyänen.
Ein Zettelchen erreichte mich: „Drecks Ausländer!“
Ich schloss ihn wieder und schnipste ihn mit meinen Fingern quer über Marie-Luises Tisch in eine fremde Schultasche. <Drecks Ausländer> hallte es danach noch in meinem Kopf, wie durch ein Megaphone.
Ich legte meine Hände auf dem Tisch und beobachtete wie sehr sie zitterten. Dabei fiel mir die Klassenmöbel auf und die hallenden Worte in meinem Kopf verschwanden schnell wieder.
In Rumänien waren unsere Schultische spröde, bemalt, uralt und ungepflegt. Ich saß nun auf diesem schönen, glattgeschliffenen Stühlchen und strich sanft über die glatte, saubere Tischauflage. Wow, wie sauber, dachte ich mir. Plötzlich traf mich, sehr schmerzhaft, ein Papierflieger mitten ans Kinn und jemand rief: „ha, i lach  mi deppert, schaut eich mal die blede da o, die liebkost unsere Tische! Die hod wohl noch nie an Tisch gsng, was? Fressts ihr dahoam vom Boden, ha?!“
Tosender Trommelwirbel auf den Tischen und boshaftes Gelächter durchbrachen die Stille des Raumes.
„Ruhe!“ schrie Frau Lederer.

Ich schluckte die Tränen hinunter, atmete sie wieder zurück, bevor sie meine Wangen berührten konnten. Mein Atem wurde immer flacher, meine Unterlippe zitterte um ihr Leben. Ich spürte wie ich meine Zähne zusammenpressen musste, um nicht los zu schreien.
Ich versank in einem tiefes Koma der Verzweiflung. Ich glaube, ich muss lange Minuten so da gesessen haben, ohne zu denken, zu atmen, ja ohne zu existieren.
Ich habe mich einfach aus dieser Welt weg gedacht.

„Na Kinder, weiß das wirklich niemand? Das haben wir doch alles letzte Woche tausenmal durchgenommen!“ immer lauter drang plötzlich die Stimme der Lehrerin in meine Ohren. „ Also nochmal: wo liegt der Unterschied zwischen Aktiv und Passiv! Na? Niemand?“
Ohne zu überlegen schoss meine Hand automatisch in die Höhe und wurde sofort aufgerufen. Als ich zum Antworten aufstand und mich kerzengerade neben meine Bank zu stellen versuchte, brach erneut ein missbilligendes Gelächter aus. „Was duad na die, Frau Lederer? Meint die etwa, die ist bei da Bundeswehr?“ sagte der hübsche Junge vor mir, sich vor Lachen krümmend.

Ich stand da und verstand, mit meinen 11 Jahren, die ganze Aufruhr um mich, nicht. Ich wurde doch zum Antworten aufgerufen. Ich tat ja nichts anderes. Also antwortete ich trotzdem: „Frau Lehrerin“ sagte ich mit kapitalistischer und eintöniger Stimmmelodie:
„das Aktiv betont, wer etwas tut. Ist die handelnde Person oder Sache das Subjekt des Satzes, dann steht das Verb im Aktiv“ machte einen freundlichen Knicks und fragte freundlich, ob ich mich wieder hinsetzen dürfte. Die Totenstille, die während meiner Antwort einzog, hielt noch lange an. Sowohl bei allen Schülern, als auch bei meiner neuen Lehrerin. Weil mir niemand das Hinsetzen erlaubte, blieb ich militärisch stehen.
„Häää, was is na a Suubiiääkt Frau Lederer? Oder so a W-e-r-b?“ fragte ein Mädchen mit wunderschönen und leuchtend-bunten Haarbändern im Haar, während sie ihr Gesicht beim Buchstabieren der Fremdwörter so sehr verzog, dass ich laut lachen musste. Augenblicklich sahen mich Millionen Augen wütend an. Nur Frau Lederer lächelte, ging zu ihrem Schreibtisch und setzte sich mit einer halben Po Backe darauf. So viel Coolness und Lockerheit hatte ich von einer Lehrkraft noch nie erlebt. „Monika“ sagte sie lächelnd, „du darfst dich jetzt ruhig wieder hinsetzen“.
Sie ließ ihren sanften Blick durch die ganze Klasse schweifen und sagte freundlich: „Kinder, Monika kommt aus Rumänien, da hat sie sicherlich die lateinischen Benennungen gelernt. Monika, erklärst du deinen neuen Klassenkammeraden, was ein Subjekt und ein Verb sind?“
„Ja gerne“ sagte ich freundlich, nachdem ich erneut wie ein Sektkorken in die Luft ging, um mich kerzengerade, mit angelegten Hände und zusammengestellten Beinen, hinzustellen! „Bleib doch ruhig sitzen, Kind!“ flüsterte Frau Lederer mit einer Handbewegung, die nichts anderes zu deuten vermochte. „Danke schön“ sagte ich, während ich mich wieder hinsetzte. „ Das Subjekt ist der Satzgegenstand und das Verb ist die Satzaussage, auch Zeit-oder Tuwort genannt!“
„häää?“  „Waaas?“ „ Woher weiß na die des? Hääää?“
Millionen Fragen düsten durch den Raum.

Ich fühlte mich plötzlich sehr mächtig. Ich fühlte, ich war ihnen überlegen.
Jawohl, ich hatte keine stylischen Hausschuhe wie sie und trug alte Ballerinas von meiner Tante, rosa mit einer Bastschleife oben drauf. Jawohl, meine Schultasche war ein älterer Rucksack von der Kleiderspende und mein Pullover war tatsächlich von meiner Oma selbst gestrickt…. Ich wusste nicht, was ein Joghurt mit Obstgeschmack ist, was ein Folienstift oder Tageslichtprojektor ist, oder dass es Türen gibt, die sich selbstständig und automatisch öffnen können. Ich kannte weder Markensachen, noch trug ich welche. Aber ich kannte, verdammt noch mal, den lächerlichen Unterschied zwischen Aktiv und Passiv und konnte das Subjekt und das Prädikat nicht nur richtig aussprechen, sondern es auch noch richtig erkennen und anwenden.

Beflügelt von dieser Erkenntnis sagte ich ganz unaufgefordert und laut: „Und das Passiv ist die. Leideform. Also, wenn man das Passiv benutzt, dann ist die Handlung wichtig und nicht der 'Täter' - oder der Täter ist unbekannt. Also, verstehen sie? Also das Passiv ist….
„Danke Monika, ich glaube, das müssen wir für alle anderen noch mal ganz langsam durchgehen!“ Frau Lederer ging an mir vorbei und streichelte mir lieb über die Schulter.

Es gongte zur Pause.
Ich schnappte mir meine Brotzeit und ging mit der Herde mit. Es war Winter, draußen lag hoher Schnee und wir blieben in der Pausenhalle. Egal welchem Grüppchen ich mich näherte, spürte ich den kalten Wind der Ablehnung. „Naaa, schleich di, i derf niad mit Ausländern spuin!“ oder „i hob ghert, dass alle Ausländer anstecknd san!“ oder „iiiigiittt, du stinkst gwaltig! Habts na ihr in Rumänien hoa Wasser ned?“ oder „Geh wieda da hin, wost her kimmt. Koana hod di her gholt!“

Mein Herz weinte! Mein Hirn verstand diese Reaktionen nicht. Mein Magen stülpte sich. Mein Blut kochte. Ich schlenderte alleine durch die Pausenhalle und beobachtete alle spielenden Kinder. Einsam im Paradies!

„Darf ich auch mitspringen?“ hörte ich mich erneut fragen. Neben einem Pfosten spielten ein paar Mädchen Gummihüpfen. Ein Mädchen, sehr groß und ziemlich dick, ein weiteres Mädchen mit einem pickeligen Gesicht und Zwillinge, blond mit dünnen lockigen Haaren, wobei eine der beiden im Rollstuhl saß. Sie war viel kleiner als die andere, trug sowohl Brille als auch zwei Hörgeräte und saß halb schräg in ihrem Rollstuhl. Irgendwie waren ihre Beine auch nicht gleichlang und ein Schuh hatte die Form von einem Bügeleisen.

Die Mädchen sahen mich alle an. Die Zwillinge und das dickere Mädchen gingen in meine Klasse. Das Mädchen im Rollstuhl lächelte mich an und sagte „halle!“
„B-b-bitte?“ stotterte ich.
„Halle, derfst mit doa! Kumm uma, nachad bist dannad du dro, gella?“ sagte sie sehr freundlich und richtig erfreut.
„Entschuldige bitte, ich dachte du sprichst deutsch!“ sagte ich verwirrt. Daraufhin sprach ich lauter in die Gruppe hinein: „spricht hier eine von euch Deutsch? Könnt ihr mich verstehen?“
Plötzlich ging das Gelächter los, laut und lauter. Aber dieses Mal war es ein herzhaftes und herzerwärmendes Lachen!
„halle, sprech’ma deutsch. Des is ja nur b-a-y-e-r-i-s-c-h! Host mi?“
Ich stieg ins Gelächter mit ein, wir kugelten uns vor Lachen. Das dickere Mädchen grunzte sogar. Und in diesem wunderbaren Augenblick fand meine ersten vier Freundinnen in Deutschland. Lisa und Eva, Karin und Petra.

Tja, und mit dem Gong kam auch Marie- Luise, meine boshafte Banknachbarin zu uns herbei geschritten. Sichtlich genervt, von unserem guten Klima, vielleicht auch genervt über die anderen, weil sie mit mir sprachen, ja sogar mit mir lachten. Marie- Luise, die Klassensprecherin, die Mädchengang-Anführerin und die legendäre Jungsköpfeverdreherin. Sie kam, ihren Hintern schwungvoll schweifend, mit ihren langen Locken durch die Lüfte wirbelnd und mit ihrer Zahnspange knirschend.
„Du da, du stinkendes Ausländer-Kind! Verpiss dich schleunigst zurück nach Budapest in dein stinkiges Rumänien, steig zurück auf deine Palmen, Du Polakensau!“ Ich weiß nicht, ob ihre Worte schlimmer waren, oder die Art und Weise, wie sie es sagte. Sie benutze eine Art Hochdeutsch mit einem sehr gekünzelten russischen Akzent, ja schon fast lächerlich peinlich es anzuhören.

Alle Kinder hatten sich um uns versammelt und stimmten ihr im Beifall zu. Sie blickte links und rechts, suchte und bekam ihre Anerkennung, lächelte und streifte sich mit glitzerigen Fingernägel die schönen Haare aus ihrem hübschen Gesicht.
„Was lachst na du etz so sau blöd?“ fragte sie plötzlich verunsichert als ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen konnte.

Ich ging auf sie zu und sagte:
„1. stinke ich nicht, ich dusche täglich, 2. bin ich kein Ausländer sondern eine Aussiedlerin, 3. ist Budapest die Hauptstadt von Ungarn und nicht von Rumänien. 4. ist Rumänien ein europäisches Land und dort wachsen keine Palmen und 5. sitzt eine Polakensau sicherlich in einem Stall in Polen und kommt nicht von Rumänien nach Deutschland.
Und jetzt leck mich am Arsch du eingebildete Kuh und lern lieber Subjekt und Prädikat zu buchstabieren! In der Klasse habe ich eine Weltkarte gesehen, such erst mal Deutschland und dann darfst du noch mal mit mir messen!"

Das Gelächter im Raum verschwand. Die lachenden Gesichter wurden ernst.
Alle Kinder gingen schweigend und beschämt in ihre Klassenzimmer.

Ich hatte schnell gelernt Ausländerfeindlichkeit gegen mich im Keim zu ersticken und habe tatsächlich nie wieder dagegen ankämpfen oder darunter leiden müssen. 

Und Marie-Luise? Wer war schon Marie-Luise?


Anmerkung: Alle Namen wurden verändert, nur der Name Marie-Luise war viel zu prägnant, um durch einen anderen Ausgetauscht zu werden. 

Freitag, 4. September 2015

Die Welt gehört in Kinderhände

Drama um ein Flüchtlingskuscheltier in Regensburg

und wie ein kleiner deutscher Junge seiner Mutter die Welt erklärte 





September 2015, Deutschland, Regensburg 

Eine Mutter mit 3 Kindern, zwei zu Fuß, eines im Buggy sitzend, überquerten bei Grün die Straße. Die Mutter, Mitte 20, trug eine Jeans und ein Galabia-ähnliches knielanges braunes Kleid. Unter ihrem Leo-Print Kopftuch verbarg sich eine Pracht an Haaren, was die große Wölbung am Hinterkopf erahnen lies. 
Eine wunderschöne Frau. Eine wahnsinnig traurige Frau. 
Im Eilschritt über die Straße, mit einem kleinen Mädchen an der Hand und dem Bügel des Buggies in der anderen, ermahnte sie in fremder Sprache und mit weit aufgerissenen Augen das dritte, wohl älteste Kind, ebenfalls ein Mädchen, wunderschön mit langen geflochtenen Zöpfen und einem blauen, viel zu großem Kleid, das offensichtlich den Anschluss an die Gruppe verlor, hinter ihnen hertrottete und mit tristen, ja fast schon melancholischen Blick ins Leere, durch die Autos hindurch, zu träumen schien. 

Ich stand am Bürgersteig, vertieft in einer Nachricht auf meinem Smartphone. Die Mutter mit den 3 Kindern gingen an mir vorbei. Der Kleine im Buggy lächelte mich an, ich lächelte zurück. Diese wunderschönen schwarzen krausen Haare! Diese schönen, dunklen.... oh mein Gott! - Ihm fehlte ein Auge! Ihm fehlte ein Auge? - Herrgott, mein Herz stockte. Meine Atmung stoppte! Über sein linkes Auge verlief eine kurze, dicke, verknubbelte, dunkle Narbe. Das Auge war komplett weg, es war nur eine Narbenwulst zu sehen! Ich hätte, vor Schreck, augenblicklich laut zum Weinen anfangen können. Mir war danach, mich auf die Knie zu werfen, vor diesem kleinen Geschöpft und ihn einfach in den Arm zu nehmen. Er schien nicht viel jünger als meine Tochter zu sein. Meiner Tochter mangelt es an gar nichts! Sie lebt behütet und in Frieden, im Überschuss und im freiheitlichem Reichtum..., meiner Tochter fehlt es an gar nichts - während diesem kleinen Jungen mit dem wunderbaren krausem Haar - ein Auge fehlt! Das Traurige daran ist die Erkenntnis, dass dieses Gebrechen NUR das ist, was wir tatsächlich sehen. Alles andere Leid bleibt uns verborgen und somit fast schon unglaublich unvorstellbar für uns. 
... doch ich lächelte ihn weiterhin liebevoll an,  hoffend, dass die Mutter -oder er- mein erschrockenes Herz nicht sieht! 
Sie gingen vorbei, sie schienen angespannt. Anscheinend erklärte die aufgebrachte Mutter der ältesten Tochter die Gefahren der Straße noch einmal. Sie beachteten mich gar nicht.
Ebenso beachteten sie den heruntergefallenen Stoffhasen oder -Maus (nicht identifizierbar) des Jungen im Buggy nicht. Sie entfernten sich im Eilschritt und ich war zu verdutzt um zu reagieren. 
Der Maushase lag am Boden, die Familie zog weiter.
Augenblicklich riss sich ein vorbeigehender Junge, von der Hand seiner Mutter los und rannte in Richtung Maushase mit den lauten Worten: "haaaalloooo, du hast deinen Teddy verloooooren, stop mal!" Die ausländische Familie stoppte, hatten wohl auch soeben den Verlust bemerkt. Alle drehten sich um, der Kleine im Buggy fing an zu weinen.
Eine schrille und zutiefst fordernde Stimme aus dem Off erschreckte ganz Regensburg; "NEIN!!" 
- es hallte durch alle Straßen -
"Neeein! Malte berühr DAS nicht! Wehe....Malte, lass DAS sofort wieder los! Pfui Malte!" Im Eilschritt zu Malte kochte die mittreißigerin, mit wilder roten Langhaarmähne, in Caprihose und Lacoste Poloshirt, während sie, bereits im Laufschritt zur Gefahrenzone, die Sagrotantücher aus ihrer Handtasche rauskramte, vor Entsetzen.

Die Welt stand für alle Menschen, drumherum, still. Alle blieben beobachtend stehen.
Wir waren erstarrte Gäste dieses entsetzlichen Spektakels, deren Ende sich niemand vorstellen konnte.

"Malte! Um Himmels Willen, wirf DAS sofort wieder hin!
DAS da gehört DENEN dort!!" 

Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete sie dabei auf die Mutter mit ihren 3 Kindern, während ihr Blick Lebensbedrohung signalisierte.
Sie riss ihrem Sohn die Stoffmaus aus der Hand und knallte sie mit tonnenschwerer Wurfkraft auf die Straße. 
"Weg damit, tu sowas nie wieder, hörst du?!?"

Zutiefst geschockt und erschrocken wagte ich meinen Blick zur Stoffhasenmaus Mama wandern zu lassen, die bereits beide Hände über ihren Wangen gelegt hatte. Eine weitere Bewegung von dieser Familie aus war nicht zu sehen. Sohnemann im Buggy weinte auch nicht mehr. Er guckte nur verwundert! 
Ich wollte einschreiten, mein Handy glitt in die Handtasche, ich schluckte meinen sauren Speichel hinunter und machte mich im militärischen Schritt zu Malte und seiner "besorgten" Mutter. Ich spürte Wut in mir, das wollte ich diese Frau wissen lassen!

Doch es kam alles ganz anders:
Malte, ca. 5 Jahre alt, widersetzte sich auf eine sehr wundersam ruhige Weise seiner Mama. Seine kindliche, reine Seele sprach Wunder: 
"...aber Mamaaaaaa, DAS ist doch nur ein Teddybär! Der Bub hat ihn verloren und ich wollte ihn nur zurückgeben!" er hob das Stofftier auf und hielt ihn seiner Mama entgegen: "siehst du Mama, NUR ein Stofftier! Du musst keine Angst davor haben!"

Er wandte seiner erstummten Mutter den Rücken zu und lief zum Stofftierbesitzer im Buggy: "Hallo, dein Teddy, ich habe ihn gerettet!" (wovor dachte ich mir? Vor seiner paranoiden Mutter oder vor dem Alleingelassenwerden auf dem Bürgersteig?)
Malte legte das Stofftier in den Buggy, auf des kleinen Jungen Schoß. Dieser schnappte ihn sich sofort und hielt ihn kuschelnd an seine Backe, sein fehlendes Auge bedeckend. 
Die kleinste der zwei Schwestern, mit kurzem Haarschnitt und einem Haarreifen voller bunter Blümchen, streichelte Malte über die Schulter und sagte: "Danke Freund!" und lächelte verschämt. Die Ältere im blauen Kleid, ging in die Hocke neben Malte und beobachtete ihn, ebenfalls lächelnd. Die Mutter der Kinder jedoch schaute über die Kinder, die gerade Freundschaft schlossen, weit hinaus zur anderen Mutter, die genervt ihre rote Mähne zurecht zuppelte. 
Die Rothaarige zischte vor Wut.
Die Wunderschöne, in brauner Galabia, weinte leise.

Atemstillstand in Regensburg - zumindest in Weichs - 

Im selben Augenblick schoss ein altes Lied durch meine Venen, ein alter Rhythmus ergriff meinen Herzschlag, eine Innere Stimme sang in meinem Kopf: 
... "gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht was sie tun. 
Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende; 
wir werden in Grund und Boden gelacht
 - Kinder an die Macht!" 
(Herbert Grönemeyer)

Nachwort:
Ich bin immer noch ganz verwirrt und betroffen.
Was hatte mich nun mehr geschockt? 
Der harte Schicksalsschlag dieser (vielleicht) Flüchtlingsfamilie, mit einem Kind, dessen Auge auf grausamer Art und Weise verloren ging - ODER - die grausame Reaktion, das primitive und rassistische Gesamtverhalten der deutschen Frau, gegenüber einer ausländische Familie?
Ich weiß es nicht!
... mich hat beides sehr getroffen!


Was ich kürzlich noch so im Netz fand:


»Auf der Flucht hat meine Mutter immer gesagt, wir Kinder müssen still sein, damit man uns nicht entdeckt. Ich hatte so viel Angst, durfte es aber nicht zeigen.« Mädchen aus Syrien, 14 Jahre   

»Immer wieder hörten wir nachts Schüsse, bis sie eines Tages bei uns ins Haus eindrangen und meinen Vater mitnahmen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.« 
Junge aus Afghanistan, 17 Jahre

»Meine Mutter sagte zu mir: rette du wenigstens dein Leben. Und dann bin ich losgezogen. Die Flucht hat ein Jahr und fünf Monate gedauert, bis ich in Deutschland angekommen war.«
Junge, unbegleitet minderjähriger Flüchtling, aus Somalia, 17 Jahre 

»Meine Verwandten haben immer wieder gesagt, komm nach Europa, wir werden dir helfen. Als ich in Griechenland ankam, wollten sie nichts mehr von mir hören. Ich war ganz allein.«
Junge, unbegleitet minderjähriger Flüchtling, aus Afghanistan, 16 Jahre 

»Und eines Tages wird der große Drache alle Bösen auffressen!«
Junge, 6 Jahre, aus Kongo 

»Es gab Feuer im Boot, die Küste war in Sicht, um zu überleben, sprangen wir ins Meer, einige konnten nicht schwimmen. Am Strand wartete ich noch stundenlang auf einige bekannte Gesichter, die von einem besseren Leben träumten. Ich sah sie nie wieder. Das Meer hat sie behalten.« 
Junge, unbegleitet minderjähriger Flüchtling, aus Afghanistan, 17Jahre

»Wir waren viele Tage lang in der Sahara, ich dachte ich will überleben, ich brauche Flüssigkeit, ich trank meinen eigenen Urin.«  
Junge, unbegleitet minderjähriger Flüchtling, aus Somalia 19 Jahre 
(http://www.tdh.de/was-wir-tun/arbeitsfelder/fluechtlingskinder/meldungen/zitate-von-fluechtlingskindern.html)

Montag, 31. August 2015

Kind da - Freunde weg

Ein Brief an alle Freunde dieser Erde, die (noch) keine Eltern sind - und an alle anderen, die es vielleicht interessiert.

Eigene Kinder sind eine Bereicherung. Freunde auch. Doch beides passt oft ganz schlecht zusammen. Warum eigentlich?

Ich wurde Mama…. und irgendwann, irgendwo zwischen "die-ganze-Nacht-mit-einem-Baby-aufbleiben-das-nicht-schlafen-will" und "soll-ich-verzweifelt-warten-oder-doch-gleich-ins-Krankenhaus-fahren-weil-das-Baby-so-hohes-Fieber-hat", habe ich  aufgehört, mich zu fragen, was meine kinderlosen Freunde so machen.

Die Welt da draußen dreht sich weiter und zieht wie ein farbiger Schleier an unseren Fenstern vorbei, während wir, in unseren eigenen 4 Wänden die Zeit angehalten haben, um uns innig und ganzheitlich dem Elterndasein zu widmen.
Doch die Freunde, die noch kinderlos und feierfreudig sind, wollen weiter ziehen und ihr leben in vollsten Zügen genießen! Partys, Stammtisch, Feiern, Tanzen, Shoppen, Walken, Sporteln, Ratschen. Mit oder ohne mich!

Anfangs wurde ich noch gefragt, ob ich mitgehe, mitfeiere…, ob ich dabei bin! Anscheinend habe ich wohl ein Mal zu oft NEIN gesagt (aus Gründen, die der Nachwuchs alle zu verantworten hat) denn ich wurde das nächste Mal ganz einfach nicht mehr gefragt! Das Übernächste mal ebenso! Nie wieder!
Ein harter Schlag, wenn man aus falscher Rücksichtnahme „verschont“ wird!
Ein noch härter Schlag, wenn man einfach vergessen wird!

Passiert wohl jeder Mama:  Du erfährst nur noch zufällig von stattgefundenen Hochzeitsfeiern deiner Freunde, du siehst zufällig Fotos von Veranstaltungen, Fahrten und Feiern der eigenen Freunde, von deren Planung du erst gar nichts gewusst hast (und du wärst doch so gerne dabei gewesen, zumindest wärst du gerne gefragt worden! Du hättest so gerne das Gefühl gehabt, noch dazu zu gehören). Du bleibst ganz einfach außen vor!

"Die Welt da draußen dreht sich weiter… wie ein buntes Karussell! Du bist ausgestiegen, um ein Kind zu bekommen.... doch du kannst bei der hohen Zentrifugalgeschwindigkeit (mit Kind am Arm) nicht mehr aufspringen! ... und keiner hält für dich an! Du bleibst daneben stehen - du bewunderst die Fahrt. Und plötzlich fühlst du dich so unendlich einsam!" (M.C.Schmid)

Das Leben ändert sich, wenn du Kinder hast! 
Buch: http://www.amazon.de/Und-jetzt-alle-noch-aufs/dp/3499628848


Liebe Freunde ohne Kinder, das müsst ihr über uns Eltern wissen: 

1. Der Zeitplan meines Kindes ist wichtiger, als meiner

Tatsache ist: Kinder brauchen Essen, Trinken, Bewegung, Schlaf und sie müssen kacken. JEDEN VERDAMMTEN TAG IM JAHR. Und vor allem MACHT es einen Unterschied, wann und wo all dies stattfindet. Kein Elternteil will ein Kind zu Freundschaftstreffen mitschleppen, das unruhig, müde, dehydriert, hungrig oder quengelig ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch all unserer Freunde sich das nicht wünschen.
Treffen zum Mittagessen? Abendessen im Biergarten oder Grillabende bis Mitternacht? Liebe kinderlose Freunde, bitte bedenkt stets: ein Treffen mit euch zu organisieren, gleicht einem olympischen Zehnkampf, den wir nicht immer gewinnen! Manchmal haut es hin, aber wir neigen dazu, uns solche Dinge für Ferien, Feiertage oder andere spezielle Anlässe aufzuheben. Die Babysitter-Oma (insofern es eine gibt) wollen wir nicht all zu oft überfordern, (wir schonen sie für die wirklichen Notfälle) - also nehmen wir die Sprösslinge mit.
Selbst wenn es funktioniert und wir, beziehungsweise unsere Kinder, so aussehen, als wäre alles bestens, sind WIR erschöpft - denn wir kriegen fast einen Herzanfall, weil wir uns sorgen, ob unsere egoistische Entscheidung nicht dazu führen wird, dass wir unser Kind beruhigen müssen, das Zeter und Mordio schreit, während uns tausend tadelnde Augen im Restaurant oder sonst wo in der Öffentlichkeit böse anfauchen!
Kinder gehen verdammt früh ins Bett! Es geht nicht anders! So will es die innere Uhr!
Was bedeutet, dass wir früher von Veranstaltungen weg müssen, oder wir verpassen sie. Es ist einfach, die Kinder anzuschauen und zu sagen „Oh, sie sehen gar nicht müde aus", und vielleicht habt ihr damit Recht. Deshalb müssen wir JETZT gehen, bevor sie einen totalen Zusammenbruch haben und sich in die Hose machen. Wir können solche Dinge vorhersehen wie manche Tiere, die heraufziehende Erdbeben spüren, bevor irgendein Seismograph sie aufzeichnen kann.

Liebe kinderlose Freunde, wenn wir es dann mal schaffen, uns mit euch zum 10:00 Uhr Frühstück zu treffen, und ihr ausgeschlafen und erholt (oder auch in Rekonvaleszenz, aufgrund der durchgefeierten Nacht) zu Tische setzt – sitzen wir, als every-morning-zombies vor euch, die ihr zweites Frühstück, nur euch zu liebe, zu sich nehmen. Bevor die Kids um halb 7 aufwachen, machen wir uns bereits für den Tag fertig, räumen die Spülmaschine aus, lüften, bereiten das Frühstück vor (in unterschiedlichsten Variationen, Farben und Muster), bügeln unser Tagesoutfit in doppelter Ausführung (Fleckenmaleure mit einkalkuliert) und packen die „Reisetasche“ fürs Frühstück mit allen Utensilien für alle Eventualitäten. Wenn wir besonders ambitioniert sind und irgendwann gegen fünf Uhr morgens aufwachen, machen wir vielleicht ein bisschen Fitness (auf dem Balkon durchatmen und sich strecken) oder beantworten alle Whats app Nachrichten in Ruhe, bevor wir die Kinder aufwecken und fertig machen, damit wir um 10 Uhr pünktlich mit euch zu Tische – total erschöpft und durchgeschwitzt, genervt und abgehetzt  - sitzen können! ABER wir tun es gerne, denn wir sehnen uns danach – nach dem Gefühl „ich sitze hier mal einfach so mit meinen Freunden“.  Jedes Treffen kostet uns Kraft und Energie, bringt uns jedoch auch jede Menge Freude und Lebensmut wieder. 

Und wenn wir uns abends mit euch Treffen, zum Abendessen oder Tanzen…. Nehmt es uns bitte nicht übel, dass wir gähnen oder erschöpft dreinschauen! Bitte respektiert es, wenn wir frühzeitig heim möchten und insistiert nicht ständig, dass wir noch bleiben sollen! Spät heimkommen bedeutet für uns trotzdem früh aufstehen.  Eine glückliche und gesunde Koexistenz dieser beiden Phänomene gibt es leider nicht. (Komisch, wie haben wir das nur vor 15 Jahren geschafft?)
Ja, wir wissen, dass es  kurz vor Mitternacht ist, und JA, wir sind im EIMER. Wenn wir uns mit euch treffen - außerhalb unserer täglichen Ablaufpläne -, nehmt es als großes Kompliment. Wir stehen am nächsten Morgen trotzdem wieder zu einer unsäglichen Zeit auf, und wir sind nicht in der Lage, die Extra-Energie wieder hereinzuholen, die wir für die nächsten 18 Jahre oder so brauchen.

2. Nein, wir möchten nicht mit euch telefonieren, wenn die Kinder schlafen

„Wenn die Kleine schläft, rufe ich dich an, dann können wir endlich in Ruhe reden –  ohne dass sie dazwischen stört“ (arrrghhh, tu das bitte nicht!)
Liebe kinderlose Freunde, ihr habt Recht. Zum telefonieren müssten Eltern in den Keller gehen! Denn, sobald die Kiddis nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen, fällt ihnen der größte Blödsinn ein (von der Couch – über den Legobauernhof – einen Purzelbaum mit Kopflandung auf dem Boden) oder die größten Tragödien des 21. Jahrhunderts passieren (der Puppenschuh passt Kuscheltier Tabaluga nicht). Sie brauchen dann unsere Zuneigung, unseren Trost oder Tadel! Wie auch immer, bei jedem Telefonat holen sich die kleinen Mäuse ihre Aufmerksamkeit, die ihnen dann wohl fehlt!

Wenn die Kinder ihr Nickerchen machen, räumen wir die Küche oder das Bad auf oder falten Wäsche. Wenn sie einmal schlafen, kommen wir dazu (oder aber auch nicht), ein paar andere to do's auf der Liste abzuhaken - Rechnungen, Projekte am Haus,  oder andere Dinge, die normale Menschen täglich tun und die unmöglich zu schaffen sind, wenn die Kinder wach sind und uns keine einigermaßen ruhige Minute hierfür gönnen... bevor wir schließlich zusammenbrechen und als nutzloser Haufen auf die Couch sinken. Ja, wir sinken für 30 Minuten auf die Couch, schließen die Augen und atmen erschöpft aber sehr glücklich durch! Und dann…. Klingelt das Telefon! Seid nicht böse, ich möchte dann nicht reden!

3. „Bring die Kinder mit" ist manchmal eine bescheuerte Option

Selbst wenn wir am liebsten unsere Zeit zu Hause genießen - wir wollen auch welche mit euch verbringen. Wirklich! Trotzdem lehnen wir oft Einladungen zu euren Veranstaltungen ab - nicht, weil sie sich nicht toll anhören, sondern weil wir wissen, dass sie für uns nicht toll werden (naja, in den meisten Fällen zumindest).
Das heißt NICHT, dass IHR nicht toll wärt. Wir können uns nur einfach nicht auf euch konzentrieren, wenn wir gleichzeitig ein Auge auf die Kinder haben müssen - um sicherzustellen, dass sie nicht würgen, ertrinken oder sich den Kopf an einem Tischende stoßen. Wir verbringen mehr Zeit damit, unsere Nachkommen am Leben zu halten, als ihr euch vorstellen könnt.
Manchmal veranstalten wir Partys, zu denen ihr nicht eingeladen seid. Noch mal: Das liegt nicht daran, dass IHR nicht toll wärt - es liegt daran, dass unsere Events nicht toll sind, zumindest nicht für Erwachsene ohne Kinder.
Sie sind laut (wirklich laut!), dreckig und finden dort statt, wo es viel freie Fläche gibt oder Spielflächen, die es den Kurzen erlaubt, auf sturzdämpfendem Untergrund herumzurennen und herumzuspringen, wie Todesfeen zu schreien - und die uns erlauben, das Xanax (gefährliche Gefühlsnarkosen für Gestresste) zu Hause zu lassen, weil wir keine Angst haben müssen, dass sie sich an einer scharfen Kante tödlich verletzen. Es gibt wenige Gespräche, doch wenn... handeln sie um Maries Kindergarteneingewöhnung, Peterchens 3-tägiger Verstopfung, Annes soziopathisches Verhalten im Kindergarten oder einfach nur darum, wie schlecht andere Mütter ihre Kinder erziehen - während sich die Mamas einen Kuchen nach dem anderen zwischen die Kiemen zwicken, nur damit klein Würmchen nicht wieder mit einem Zuckerschock nach Hause kommt und die Matratze von oben bis unten mit einem Schoko-Bananen-Donut-Gummibär-Brause-Brei zu benetzen.

4. unsere seltene und kurze Freizeit wollen wir alleine verbringen

Manchmal habe ich tatsächlich das unausweichliche Gefühl, das größte Arschloch zu mir selber zu sein. Zeit für Entspannung und Dinge einzuplanen, die ich gerne mache, bleiben so weit hinten auf der Strecke, wie auch die Motivation und der Elan, diese auch tatsächlich durchzuführen.
Haare färben, stundenlanges ruhiges Shoppen, eine regelmäßige Teilnahme an Bodyfit oder wöchentliches Walken mit den Mädels erfordert eine so sehr kreative und tüftelige Zeitplanung, dass mir die Organisation hierfür bereits den Spaß an der Sache im Vorfeld vermiest. Ergo: ich verzichte!

Es läuft darauf hinaus, dass meine Hobbies in Dingen bestehen, die ich zu jeder Tageszeit - alleine - machen kann: Lieblingsserie angucken wenn mein Äffchen schläft, , häkeln, lesen, Geschichten und Gedichte schreiben oder sonstige Aktivitäten, die ich gleichermaßen um drei Uhr nachts oder drei Uhr nachmittags starten kann. Die Anforderungen des „sozialen Kalenders" machen uns Eltern Angst. Wenn wir es hinkriegen wollen, ein anderes menschliches Wesen zu treffen, ist es in der Regel jemand, der uns den größtmöglichen Schubs geben kann - ein Begleiter zum Sportmachen oder jemand, mit dem man während des Spielens reden kann oder - selten - jemand, der uns total „ent-stressen" kann, der total mitgeht damit, dass unser Treffen in einem 30- bis 45-Minuten-Fenster stattfinden muss. Wir haben nicht die Zeit, nutzlos herumzubummeln.

5. Wir ziehen die Zeit mit unseren Kindern euch vor

Irgendwie haben wir Eltern ständig das Gefühl, dass unsere Zeit mit unseren Kindern sehr begrenzt ist. Ungern tauschen wir all zu oft dieses Privileg mit einem Treffen mit euch! 
Obwohl wir uns, wie schon erwähnt, all zu sehr danach sehnen! Aber wir priorisieren! 
Wir müssen es!
Liebe kinderlose Freunde, das ist die traurige Wahrheit. Wir kriegen unser neues Leben mit Kind nicht mehr in der Gestalt unseres alten Lebens gebacken. Vielleicht sind wir auch einfach zu müde, kreativlos oder schlicht und ergreifend nicht fähig, Kompromisse einzugehen. Oder wir sind ganz einfach nur zu erschüttert, oder beschämt, dass das zu Hause-Bleiben mit Kindern viel härter ist, als wir es uns vorgestellt haben.


An jede Freundin (noch) ohne Kind, die sich angesprochen fühlen mag:

Mein Kind braucht so viel Aufmerksamkeit , dass ich dir ad hoc genau sagen kann,
was es vor 5 Tagen gegessen hat, wie lange es gestern Mittag geschlafen hat, wie all ihre 27 Kuscheltiere heißen und warum sie vor 3 Monaten am Sommerfest traurig war - ABER ich kann mir keine Zeit dafür nehmen, dir in die Augen zu sehen, während du mir von deinem Leben erzählst.

Während du mit mir redest, beobachte ich die Uhr, weil mein Kind zwölf Minuten später essen muss. Ich merke nicht, dass du 30 Minuten auf mich warten musstest, weil mein Kind auf dem Weg hierher Popobrennen hatte und wir die Zinkkreme nicht finden konnten. 

Während du deine Geschichten erzählst, denke ich daran, wie gern ich ein anderes T-Shirt tragen würde. Eines, auf dem man die Nutella Fingerabdrücke meines Äffchens nicht sieht.

Ich bemerke auch deine neue Nagellack-Farbe nicht, die mir vorher garantiert aufgefallen wäre. 
Wenn du über deinen Job redest, zweifle ich daran, ob die Methode, das Kind so lange bewusst nicht zu beobachten, wirklich so gut ist. 
Ich sehe nicht, wie du daran zweifelst, ob dein Vertrag verlängert wird.

ES TUT MIR LEID, dass du mich deswegen aufgibst und nicht mehr aufsuchst. 

Behalte bitte im Kopf, dass ich nicht schimpfe über diese Dinge; ich beschwere mich nicht über meine Wahl, Kinder aufzuziehen. Ich bin glücklich wie verrückt, aber ich vermisse dich und ich ahne, dass ich dir das nicht ausreichend sagen kann.

... und ich bin verletzt und zu tiefst enttäuscht, wenn ich „vergessen“ werde, wenn ich merke, dass du mich aufgibst – weil unsere Welten nicht mehr zusammen passen! ABER eines Tages wirst auch du Mama werden. Kommst du dann zu mir zurück, wenn die Bedingungen wieder passen? 

"Mit dem Älterwerden der Kinder entspannt sich ja auch wieder vieles. Gerade die Zeit mit kleinen Kindern ist etwas Einmaliges und Unwiederbringliches, für die es ein naturgegebenes Zeitfenster gibt. „Diese Fenster schließen irgendwann – das gilt für Freundschaften so nicht.“


Falls du nicht abgeschreckt bist - lasst mich wissen, ob du fürs Frühstück um sieben Uhr vorbeikommen willst. Da haben wir unseren Höhepunkt!!!



NACHWORT
An meine wenigen kinderlosen Freunde, die mir noch blieben!

Ich möchte euch danken, dass ihr so geduldig mit uns seid.
Die anderen Freunde sind schon laaaange weg. Sie waren es leid, über das Stillen zu reden, mit uns am Tisch zu sitzen, während wir ihnen bei unseren Unterhaltungen immer nur halb zuhören konnten, weil das Kind kreuz und quer durchs Zimmer lief. Sie waren es leid, längere Monologe und Vorträge über die Geburt unserer Kinder, über Kinderkrankheiten oder sonstige Geschehnisse der Miniwürmer über sich ergehen zu lassen.  Freunde, die wegen unserer neuen Lebenssituation nicht mehr frei mit uns die Zeit genießen konnten, die mit mehr Absagen als Zusagen und mit mehr Kindergeschrei im Hintergrund als ruhiges Unterhalten klar kommen mussten. Freunde die also lieber gingen, als zu bleiben!

„Der Gleichklang ist schwer aufrecht zu erhalten, wenn die eine nur noch über den Baby-Stuhlgang reden kann, während die andere gerade mitten im Karriere-Aufwind steckt.

Danke, dass du verstehst, dass meine Lebenssituation nur vorübergehend ist, solange mein Äffchen noch so klein ist. Danke, dass du mich –ebenso wie sie- lieb hast, auch wenn wir oft noch mit uns zu beschäftigt dafür sind, unser Interesse und unsere Zuneigung für dich zu zeigen.
Wir haben Interesse. Du bist wertvoll für uns. Wir brauchen dich.
Wir brauchen nur eine Minute, um mit diesem Elternding fertig zu werden. Und glaube mir: Wenn wir wieder aus der Versenkung auftauchen, dann erkennst du die Freundin in mir wieder, wie einst – als wir nächtelang durchtanzten und in aller Ruhe stundenlang erzählen konnten.
Und eines Tages wirst auch du Mama oder Papa sein, und hey, wer braucht keinen Freund, der immer ehrliche Elternratschläge und hammermäßige Baby-Geschenk-Ideen hat?


Etwas zu "FREUNDSCHAFT"

Friends they come and friends they go - nothing really lasts forever” sang Stella Getz. Ähnlich wie sie sieht das auch die Psychologin Felicitas Heyne. „Wirklich lebenslange Freundschaften zwischen zwei Menschen sind eine sehr, sehr seltene Ausnahme, vielleicht sogar noch seltener als die von lebenslangen Liebesbeziehungen“, sagt sie. Denn nur zu oft ändern sich die Lebensumstände von Freunden. Manchmal ist die räumliche Distanz zu groß, manchmal driften die Interessen auseinander oder die Lebensentwürfe entwickeln sich in völlig unterschiedliche Richtungen

„Insofern ist es in der Tat ganz normal, dass sich Freundschaften im Laufe des Lebens ändern, das ist kein Zeichen von Bindungsunfähigkeit oder Oberflächlichkeit der Beteiligten“, betont die Expertin. „In unserer heutigen modernen Zeit mit ihren hohen Anforderungen an Flexibilität und Mobilität von Berufstätigen ist es gerade für junge Eltern oft schwierig bis unmöglich einen Freundeskreis unversehrt weiter zu pflegen“. Zeitmangel, Organisationsprobleme oder auch schlichte Erschöpfung verhinderten das einfach.

Montag, 27. Juli 2015

Kindermund, tut Wahrheit kund


...und warum wir lieber schmunzeln als schimpfen sollten!


"Mama, warum ist die Frau da so dick?"

...und augenblicklich erstarrte alles in mir!!

Mein Herz fing an zu rasen, kochend heiße Blitze schossen mir den Rücken hoch und meine Wangen fingen an zu glühen!

"Maaaaami, hörst du? Warum ist die Frau da sooooo diiiiick?"

Ich war so verdattert, verwirrt und erschrocken, konnte gar nicht richtig reagieren, schob nur den Einkaufswagen mit meiner Tochter aus dem "Gefahrenbereich", denn die gemeinte Frau hatte Blickkontakt zu mir aufgenommen.

"Psssst, sowas sagt man nicht", flüsterte ich geduckt und hörte mich plötzlich laut sagen: "ja, wir brauchen auch noch Nudeln und Tomaten uuuuuund...."

Plötzlich stand sie da, vor mir! In der Tat, ein Berg von einer Frau. Sie stellte sich breitbeinig vor unserem Einkaufswagen (wieso immer gleich diese Kampfstellung?) und versperrte uns den Fluchtweg. Verdammt! Was soll das denn jetzt?

Zum ersten mal im Leben stellte ich erschrocken fest, wie klein und zerbrechlich 162 cm Körpergröße doch sein können und wie megamäßig erfolglos ein Kampfgewicht von unter 60 kg scheint, wenn man es mit Godzilla aufnehmen möchte. Ich hörte ihren Atmen, .... diesen aufgeregten, langsamen, tiefen  Atem. Ich sah nach oben, direkt in zwei erbosten dunklen Augen, deren Augenbrauen fest nach oben gezogen wurden. Sie sah mich prüfend an. Eine Augenbraue zittere leicht. Ich verspürte Angst!

"Entschuldigung" hörte ich mich leise sagen und versuchte mich mit Einkaufswagen und Kind zwischen ihr und dem Nudelregal vorbei zu schlingen. Vergebens! Die Dame ließ uns nicht durch!

Herzrasen!

Wieso besitze ich eigentlich keine Tarnkappe? Kein Pfefferspray? Keine Machete? Ich sah mich um. Keiner da! Keine Hilfe in Sicht! Wo hängt der Feuerlöscher? Ich sah mich schon, wie ich mit nackter Faust die Feuerlöscherkastenfensterscheibe einschlage und.... ahhhh, 'Ich werde schreien, ich werde schreien, so laut ich kann', dachte ich mir.

Mein Kind sah mich fragend an, ich nickte abweisend und flüsterte: "nein, nein, nicht bewegen mein Schatz!"

Die Situation wurde bremslich und zutiefst unangenehm, die Dame hatte die Vorwärtsbewegung meines Einkaufswagens bereits mit ihrer Hand gestoppt. Kein Ziehen, kein Schieben half mehr! Der Wagen stand still!
"Entschuldigen Sie, kann ich bitte durch?" hörte ich mich fragen, während sich meine Stimme so unheimlich dünn und unsicher anhörte, wie einst beim Ausfragen, im Erdkundeunterricht.

Und dann passierte das Unfassbare:
"Na, Madam, des derfst du aber ganz sicher niad!", antwortete sie mit einer erschreckend wütenden und maskulinen Stimme! Wieso duzte sie mich? Wieso so böse? Die eine Hand umklammerte noch fester die Gitter meines Einkaufswagens, während die andere ihren sicheren Halt an ihrer Hüfte fand (Ich glaube zumindest, dass es die Hüfte war).

Mein innerer Ruf nach Hilfe sprengte alle Schallwände dieses Universums, ich sandte telepathische Hilfesignale an alle Superhelden dieser Welt. In Gedanken ging ich die stabile Seitenlage durch! 'Falsch, die brauche ich nicht! Was dann? Den Kung-fu-Kranich? Die Karate-Schlange? Soll ich plötzliche Ohnmacht vortäuschen? Verdammt, ich bin verwirrt!'
Komischer Weise wünschte auch ich mir jetzt meine Mama herbei.

"Naaaa, da geht 'ma etz g'wiss koana weg!" brummte sie erneut in unsere Richtung.
"Maaaami?" zitterte die kleine, unschuldige Stimme meinter Tochter fragend.
Ich legte schützend die Hand auf das Köpfchen meiner Tochter und dank meines Mutterschutzinstinktes fasste ich wieder Mut: "wie bitte?"

"Du und dei verzog'nes Kind, was moanst na du eigentlich, wer du bist? A abg'mogerts Pupperl (ich!!!), des ihr Dirndl niad g'scheid erziehen ko (ich???). Ihr sads doch alle gleich!(wer?) Dera g'herad a paar um d' Ohren g'haut (wem? MEINEM Kind?)....!"

Den ganzen restlichen verbalen Gedankenmüll habe ich nicht mehr so richtig wahrgenommen, denn beim "um die Ohren hauen" hat sich meine Angst vor dieser Frau in pures Mitleid umgewandelt! Wie arm sie doch dran war! Wie unendlich arm ...

Ich verstehe ja, dass ein übergewichtiger Mensch, der leider nicht im Einklang mit seinem inneren Wohlbefinden und dem belastenden körperlichen Zustand ist, auch sehr unangemessen in solch einer Situation reagieren kann! Ich verstehe auch, dass es jeden Menschen hart trifft, wenn ihn jemand auf seine (körperlichen) Unzulänglichkeiten aufmerksam macht! ABER ich verstehe beim allerbesten Willen überhaupt nicht, dass man einem fremden Kleinkind Schläge androht bzw. verordnet, bloß weil es (aufgrund seines Unwissens) nachgefragt hat, wieso dieser Zustand vorliegt!!!

Vorsichtig, doch mit Nachdruck löste ich ihre schweißgebadeten Finger von meinem Einkaufswagen, sah sie an und sagte ganz ruhig zu ihr: "es tut mir sehr leid, wenn sie mitbekommen haben, wie mein Kind die Welt entdecken will und mich dabei fragte, wieso sie so dick sind! Es tut mir ebenfalls leid, dass sie noch zu klein ist, um zu verstehen, dass "dick" genannt zu werden, für einen Betroffenen eine Beleidigung ist! Es tut mir sehr leid, dass mein Kind noch nicht über diplomatischere Synonyme für "dick", wie adipös, rundlich oder wohlernährt verfügt.
Aber am aller meisten tut es mir leid, wie sie darauf reagiert haben! Sie tun mir einfach nur leid!
Nun lassen sie uns bitte augenblicklich durch!"

Mit mir im Reinen schob ich den Einkaufswagen an ihr vorbei, während meine Tochter erneut fragte: "Mama, was hat die dicke Frau eigentlich gesagt?"


Nachwort:
Kinder sind schonungslos ehrlich, sie müssen Diplomatie und die Kunst der Kommunikation erst noch lernen! Unsere Rolle als Eltern und Familie besteht darin, die kleinen Plappermäulchen dabei zu unterstützen, damit sie selber lernen - was man wann und wo sagen darf oder doch besser für sich behalten sollte (bzw. einem heimlich und leise ins Ohr flüstert).
Eltern und Betroffene sollten beim ehrlichen Kindergeplappere daher eher schmunzeln, anstatt zu schimpfen. Sie meinen es doch nicht böse! Im Gegenteil, sie tun nur ihre Gedanken kund :) 


ABER dass ein fremder Mensch, dermaßen sauer und angegriffen reagiert, das darf nicht sein!!! Nicht zu akzeptieren!!!

Ausländerkind