Natürlich möchte ich, unter normalen Umständen, niemandem das Quatschen mit
seinen Mitmenschen verbieten (Möchte ich nicht???), aber in Zügen und anderen
öffentlichen Verkehrsmitteln gelten andere Regeln.
Nämlich meine!
Und die besagen, dass insofern ich allein unterwegs bin – was manchmal der
Fall ist – auch die Menschen auf den Plätzen neben mir ein absolutes Redeverbot
haben. Ob sie nun mit mir oder mit anderen Mitreisenden reden ist von
sekundärer Relevanz.
Ganz oben auf der Liste der verbalen Unverträglichkeiten sind Gespräche
Mitreisender, die weder für meine Ohren bestimmt sind, noch von diesen gehört
werden wollen.
Ich hasse es, lautstarken Gesprächen ausgesetzt zu sein, die nicht
deutscher Natur sind (vielleicht ist es ja manchmal sogar besser, nichts zu
verstehen!) oder sich eines zutiefst sinnlosem und extrem langweiligen Thema
bedienen, dass mir während des Zuhörens die Gehörgänge und sämtliche Hirnareale
einschlafen, während jedoch das Blut vor Wut zum Kochen beginnt. Ich hasse
Gespräche, die sich nicht mal aus voyeuristischer Sicht lohnen, gelauscht zu
werden.
Mich interessiert es nicht die Bohne, ob die körperlich sehr massive Frau
rechts vor mir ihren Arbeitsamtstermin zum 3. Mal, aus gesundheitlichen
Rücken-Gründen, absagen musste, ob die Gruppe frühpubertierenden Gören am
Ausgang bereits schon alle Sex mit einem besagten Pascal hatten oder ob das
Baby der Dame im schwarzen Ganzkörperschal öfters in die Windel scheißt, als
das Wunderkind-Baby der blonden Mittvierzigerin, die es bereits im Alter von 15
Monaten zum „Töpfchenkaken“ kondizionierte.
…und überhaupt, ich Reise nicht, um neue Freundschaften zu knüpfen. Ich
habe Freunde, bei Facebook sogar mehr, als ich jemals kennen wollte. Ich muss
keine Pseudofreundschaften knüpfen, die nur dem Zeitvertreib von Ort zu Ort
dienen.
Man darf mich zwar freundlich
fragen, ob der Platz neben mir frei ist, auch darf man mir „Gesundheit“
wünschen wenn ich niese. Aber das ist
dann schon der Gipfel der Gefühle, das absolute Maximum dessen was ich während
einer Zugfahrt von Mitreisenden vernehmen möchte. Der Olymp aller
Erträglichkeiten ist hier für mich erreicht. Was schlichtweg gar nicht geht,
ist wenn Mitreisende versuchen, mir ein Gespräch aufzuzwingen. Es hat keinen
etwas zu interessieren, wovon mein Buch handelt, wohin ich fahre, ob ich auch
ein Weingummi möchte ebenso wenig möchte ich wissen, wie die Kinder der Frau
mit Kopftuch heißen, wie der Auftritt von Mario Barth war oder was mir der Herr
mit Stock und Hut über den Klimawandel zu berichten hat Ich sehe mich dann
jedoch gezwungen, jedem, der mich anspricht, ein Extragesprächskontingent
einzuräumen um ihm mit den Worten „nix deutsch“ klar zu machen, dass jede
weitere Kontaktaufnahme mit mir keinen Sinn macht! Wenn mein Gegenüber jedoch
hübsch oder charismatisch ist, schenke ich ihm eines dieser Lächeln, die meine
Boshaftigkeit besänftigen sollen.
…. Haben die denn alle kein
Schamgefühl? Und keine Pietät?
Drei Plätze weiter telefoniert eine Frau stundenlang mit einem kleinen Kind
oder einem ziemlich begriffsstutzigen Erwachsenen. Ich warte auf den nächsten
Netzausfall – warum soll es der Dame am Telefon besser gehen als mir? Nichts
da. Ihr Netz hält, was mein Mobilfunkanbieter verspricht.
Ich bin weiterhin ihren Stimmen ausgesetzt. Kennt ihr das, wenn aus dem
Nachbargarten das Motorsägengeräusch ohrenbetäubend in dein Hirn eindringt,
wenn der Untermieter frühmorgens seinen Bohrer durch sämtliche Wohnwände jagt
oder die Feuerwehr am ersten Samstag des Monats ihre penetrante Sirene heulen
lässt? Ja! Man wird ein Sklave dieser Ohrvergewaltigungen und kann nichts
dagegen tun.
Und in diesem Moment überlege ich ernsthaft, mir die Hände auf die Ohren zu
pressen und ganz laut Kinderlieder zu singen.
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