Freitag, 19. Oktober 2018

Im Angesicht der Schuld

(Leseprobe)

Die nasse Straße glänzt im Schein der Straßenlaterne unter der ich stehe. Dass es schon so früh dunkel wird, hatte ich beim Zusagen unseres Treffens nicht bedacht. Irgendwie erscheint mir die Dunkelheit heute ziemlich unheimlich. Vielleicht, weil sie mich an jene Nacht erinnert, seit der nichts mehr so ist, wie es mal war. Viel lieber würde ich jetzt mit einer heißen Tasse Grog am Kaminfeuer sitzen und die Rolling Stones hören. Matilda wird sicherlich bald da sein. Und der Regen. Er steigert sich in ein monotones Stakkato hinein. Immer lauter prasselt er auf meinem Mantel hinab. Ich ziehe den Kragen mit eiskalten Fingern bis unters Kinn.
Vor einem Jahr genau hatte ich Matilda zum letzten Mal gesehen. Es war viel kälter als heute. Zitternd stand sie stundenlang im wabernden Novembernebel und weinte. Irgendwann, es muss schon um Mitternacht rum gewesen sein, legt sie eine gelbe Rose auf mein Grab, und ging, ohne ein Wort zu sagen, davon. Wieso gelb, wo sie doch wusste, dass ich diese Farbe hasste. Aber ich war dankbar, dass sie damals da gewesen war. Man sagte mir, ich muss sie heut abholen. Und ich bete immer noch, dass sie nicht kommt....

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